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Roman nach wahren Begebenheiten

Sulzburg in Südbaden, 22.10.1940:
Auf dem Marktplatz werden die verbliebenen 27 Mitglieder der jüdischen Gemeinde von der Gestapo auf einen Lastwagen verfrachtet. Sie sollen ins Internierungslager Gurs im unbesetzten Teil Frankreichs deportiert werden. Unter ihnen ist ein einziges Kind, die 9-jährige Lily. In ihrer Manteltasche hat Lily ein Foto von sich und ihrer besten Freundin Agnes dabei. Während die Einwohner Sulzburgs die Fenster schließen und wegsehen, läuft Agnes zum Lastwagen, um sich von Lily zu verabschieden. Unmittelbar vor der Abfahrt reißt Lily das Foto in der Mitte zwischen den beiden Freundinnen in zwei Teile und reicht Agnes die Hälfte, auf der sie selbst abgebildet ist. „Wir werden es wieder zusammensetzen, das verspreche ich dir, Lily Blum“ sind Agnes Abschiedsworte.

Freiburg 1965:
Die Radiomoderatorin Agnes erhält von ihrem Vorgesetzten den Auftrag zu einer Reportage. Es geht um ein kleines Dorf in Frankreich, das während der deutschen Besatzung im 2. Weltkrieg mehr als 1500 Flüchtlinge – Juden, politisch Verfolgte, Widerstandskämpfer, Intelektuelle und Künstler – versteckte, fast so viele wie der Ort selbst Einwohner besaß.
Agnes beginnt mit ihren Recherchen und taucht dabei nicht nur tief in die Geschichte dieses Dorfes Dieulefit und seiner Internatsschule Beauvallon ein, sondern auch in ihre eigene Vergangenheit.

Immer wieder wechselt der Roman die zeitliche Ebene, geht von Agnes Recherchen im Jahr 1965 zurück in die Jahre 1940 – 1944, schildert Lilys Erlebnisse in Frankreich und die ihrer Flüchtlingshelferin und Widerstandskämpferin Jolie.

Der Roman basiert auf wahren Begebenheiten. Die Schule von Beauvallon gibt es noch heute und die Rettung unzähliger jüdischer Kinder und anderer Verfolgter ist historisch belegt. Die Geschichte ist ein faszinierendes Zeugnis vom Mut zum Widerstand und vom Zusammenhalt einer Dorfgemeinschaft, in der es zu keiner einzigen Denunziation kam.

Auch der Romanteil, der die Radioarbeit im Jahr 1965 thematisiert, ist sehr interessant. Er beschreibt die fehlende Bereitschaft zur Aufarbeitung im Nachkriegsdeutschland, der Unwille, sich mit Judendeportation, Vernichtungslagern und Widerstand zu beschäftigen. Ein gut geschriebener, spannender und historisch interessanter Roman.